matsyāsana – Die Haltung des Fisches – Auf dem Weg zur eigenen Identität
Auf dem Weg zur eigenen Identität, also im Yoga, ist der Lehrer nicht mehr als ein – hoffentlich – sehr kenntnisreiches Werkzeug des impuls- und wortgebenden inneren Lehrers.
Oft führen Umwege besser zum Ziel als geradeaus-linear planbare Wege. Um die Technik des Weges zur eigenen Identiät zu beschreiben, fehlen passende Worte, aber es fehlt nicht die erprobte Praxis. Unser Umweg ist die Imagination, das spielerische so-tun-als-ob. Dieser Weg führt uns über die āsanas, die Körperhaltungen, in Zielnähe; an den Ort wo nicht mehr ichhafte Bemühung sondern der Sog der inneren Ordnung seine Wirkung entfaltet. Der Übende ändert – imaginativ – seine Identität bei matsyāsana, der Haltung des Fisches achtsam-hinnehmend-spürbewusst in die eines Fisches. (Anthropologen werden uns zustimmen, dass vegetative und animalische Bewusstseinsformen in unserem menschlichen Bewusstsein vorhanden sind, und sowieso eine Rolle spielen.)
Überlegungen der Übenden zu diesem Thema – im Stadium des Übens – zu vermeiden, gehört zur Kunst des Yogalehrers und schließt seine Bereitschaft und sein Vermögen ein, bei anderer Gelegenheit darüber zu berichten.
Als Modell haben wir mit Bedacht die Übung matsyāsana gewählt, obwohl vṛkṣa, vṛkṣāsana, Baum, Baum-Haltung vielleicht eingängiger gewesen wäre (eine sich in uns bäumende Kraft hat sicher jeder schon erlebt), der Übung matsya wird aber besondere Heilkraft zugesprochen.
Der relativ rasche Wechsel von der einen zur anderen Übung – imaginativen Identität – verhindert das Verweilen bei bevorzugten Übungen (Ausnahme, die besondere Absicht, siehe matsyendrāsana) ebenso wie das Vermeiden der unbeliebten, und er begünstigt die Einsicht für die ständige Wiederholung.
So haben wir viel – fast kindliche – Freude
an den verschiedenen Figuren,
die unser Körper einnimmt,
die wir mit unseren Worten deutlich benennen,
die auf (Um)wegen Orientierungsverluste aufheben,
die uns unserem Ziel näher bringen.
Von einem Forscher wird verlangt, seine Ergebnisse in einer klaren Sprache auszudrücken. Wenn wir unsere Erfahrungen im Yoga mitteilen wollen, haben wir damit ein Problem: Sanskrit wird nicht verstanden und Deutsch falsch angewandt. Wir brauchen in der Yogapraxis eine andere Sprache, eine Redeweise, die nicht an das Ich, sondern an das Selbst anknüpft.
Als Folge dieses Mangels dürfen wir nicht der Versuchung erliegen, Formulierungen zu gebrauchen, die, wie selbstverständlich, von der persönlichen Anwendbarkeit der Übungen ausgehen. Zunächst muss es uns also genügen, Yoga Erfahrungen zu machen. Beispiel Rückenschule: im Yoga schult der Atem den Rücken. Die erlebnisbezogene Bekräftigungsformel „ICH bin bewusst im Körper, in den Gedanken und in der Seele“ verkündet nicht ein Wort des Egos, sondern des Selbstes. Der praktische Unterricht erlaubt es zwar, dafür passende Worte zu finden; ihren Niederschlag, zum Beispiel im Schrifttum, gibt es kaum.
Selbst der (Um)weg ist schon das Ziel.