Yoga, schrittweise
yoga-aṅga-anuṣṭhānād
Wenn Sie abgelegen wohnen, es muss nicht gerade in den Himalayas sein,
können Sie vielleicht im Zustand von dhyānaja-citta verweilen.
Wenn Sie gewohnt sind, in Siebenmeilenstiefeln zu gehen, könnten Sie
durchaus versucht sein, diese auch im Yoga anzuziehen.
Sehr erfolgreich werden Sie aber mit solchen Methoden nicht sein. Vielmehr geht es im Yoga um behutsame, gestufte, gegliederte Übergänge. Gewachsene, allgemein gültige Formen unserer westlichen Kultur sind dabei unverzichtbar; sie tragen alle Ansätze für Schritte zur Selbstbesinnung (dhyānaja-citta) in sich.
Unterhalb von dhyānaja-citta muss der den Yoga praktizierende Mensch, selbst wenn es ihm Mühe macht, ein alltägliches Wesen zeigen können. Je sicherer er seiner wahren Natur nahe ist, desto leichter wird ihm auch die Alltäglichkeit fallen: Er hat sich längst entschieden und lebt in zwei Welten. In Welten, die nicht gleichberechtigt neben-, sondern natürlicherweise über bzw. untereinander geordnet sind. Er kennt außer der horizontal-soziologischen auch die hierarchisch-vertikale Schichtung seiner Natur. Er hat die Struktur seines gegliederten Wesens durch die schrittweise einsetzende Wirkung von viveka-khyāti, dem unterscheidenden Bewusstsein, erkannt.
yoga-aṅga-anuṣṭhānād aśuddhi-kṣaye
jñāna-dīptir ā viveka-khyāteḥ //
Durch tägliche, nach und nach voranschreitende Einführung in
die Glieder des Yoga-Systems, mit einhergehender Verminderung
und folgendem Verschwinden der Unreinheiten, entsteht die
Erleuchtung des Wissens und entwickelt sich hinauf zum Zustand
der Schau der Unterscheidung.
Yoga-Sūtra II,28
Durch anuṣṭhāna – sukzessiv, Schritt für Schritt, täglich, nach und nach – entwickelt sich viveka-khyāti, die Schau des unterscheidenden Bewusstseins: Das Bewusstsein und die Effizienz des Übenden in beiden Welten. Aber, die Einstandsleistung für den Yoga steht nirgendwo an zweiter Stelle.
- Der Aufwand für den Beginn im Yoga kann für einen Dreisternekoch nicht geringer sein als jener, der ihm die drei Sterne eingebracht hat.
- Der Einsatz eines Mathematikprofessors für den Yoga wird die Kraft überschreiten müssen, die ihn zum Mathematikprofessor gemacht hat.
- Ein Rosenzüchter muss seine Erwartungen im Yoga über die an seine neue Züchtung stellen.
- Mehr Entschlossenheit, als er/sie gebraucht hat Weltmeister zu werden, wird er/sie einsetzen müssen, den Yogaweg zu gehen.
Die im Yoga erforderliche Kraft und Entschiedenheit richtet sich individuell nach dem in anderen Bereichen erbrachten Aufwand und überschreitet diesen. Der Entwicklung im Yoga schließen sich die Erfolge im gesundheitlichen und sozialen Bereich mühelos an, nicht umgekehrt.
Der Eintritt in den Yoga ist für jeden und in jeder Lebenslage deshalb möglich, weil wir „halbe Schritte“ gehen. Wenn im Übungskreis von aṣṭāñgayoga, des achtgliedrigen Weges, eine Körperhaltung (āsana) zugleich imaginativ und physisch eingenommen wird, ist ein halber Schritt in die nächste Stufe, prānāyāma, schon getan und ergänzt sich durch Verweilen im Übungskreis von selbst zum vollen Schritt. Durch Verweilen auf diesem Weg entsteht ohne weiteres Zutun der Zustand dhyānaja-citta.
Das Wort dhyānaja-citta besteht aus den drei Teilen dhyāna ja citta (dhyāna Meditation, ja Leben, Geburt, citta „denkendes“ Gemüt) und bedeutet, sich auf die wahre Identität des „denkenden“ Gemüts zu besinnen. Sich zu besinnen:
- kein denkendes, sondern ein – vom Herrn – gedachtes Wesen zu sein.
Svami Vairagyānanda sagt: „Der Mensch ist kein denkendes Wesen. Gedanken verdanken ihre Entstehung nicht uns. Der Mensch erzeugt keine Gedanken.“
Dem gedachten – vom Herrn erschaffenen – Wesen zugewiesene Fähigkeiten sind unter anderem diese:
- analog „denken“ zu können.
Svami Vivekānanda sagt: „Die Differentiae sind im Gedächtnis, und man erhält sie durch Vergleich mit den Inhalten des Gedächtnisses. Unterschiedenheit liegt nicht in der Natur einer Sache, sondern in unserem Denken. Gleichheit ist außen. Differentiae sind innen (in unserem Verstand); ebenso ist der Begriff „viele“ ein Werk unseres Geistes.“ - klassisch wissenschaftlich aufwärts und abwärts „denken“ zu können.
Im Abstrakten das Konkrete und im Konkreten das Prinzip erkennen zu können. Das Haus aus Holz und Steinen gibt nur dann Schutz und Geborgenheit wenn das Haus im Herrn erkannt wird.
Alltagsbewusstsein und Meditation, Geschäftigkeit und Alleinsein, weite, schnelle Schritte und Verweilen- sowie Zulassenkönnen sind Merkmale der vedischen Lehre in unserer Zeit. Ihre praktische Umsetzung hieß und heißt Yoga.

Yoga Nidrā – Der Heilschlaf der Yogis
Zwei Übungen von jeweils 30 Min

The Bhagavad Gita as a Living Experience
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