Wann üben wir Yoga?

Lange bevor wir uns mit dem Was (wir üben) beschäftigen, treten wir der Frage „Wann wir üben“ näher.

Wir wissen aus langer Erfahrung, dass bei diesem Thema die Schmerzgrenze schnell erreicht ist.

Was für alleinstehende Menschen noch akzeptabel sein mag, ist für jene, die in Partnerschaft leben – also die Mehrzahl der Übenden -, fast unmöglich. Die Rede ist von brahma-muhūrta (Yoga-Lehrbriefe Nr. 20 und 41), der Stunde Brahmas, der Stunde vor Sonnenaufgang als idealer Übungszeit. Der frühe Morgen ist jedoch ein Zeitpunkt, der auch im sozialen Miteinander große Bedeutung hat. Menschen, die miteinander leben, wachen gern miteinander auf und beginnen den Tag gern gemeinsam. Die Yoga-Schule wird sich hüten in diese Bräuche einzugreifen. Gleichwohl können wir die Chance von brahma-muhūrta nicht einfach ignorieren.

Weil der hier geschilderte konfliktträchtige Zustand typisch ist, holen wir etwas weiter aus: Konflikte entstehen ja nicht nur im Yoga. Im Für und Wider der Umstände des äußeren und sozialen Lebens, auch im Körper und Gemüt, sind wir oft hin- und hergerissen. Der Unterschied ist dieser: Auf dem Yogaweg weichen wir Konflikten nicht aus, sondern machen sie zum Gegenstand unseres Übens.

Die morgendliche Übungsstunde bietet eine gute Gelegenheit zur Erprobung jener starken, sich weithin auswirkenden Technik: Wir nennen sie die „Kunst des ersten Kompromisses“.

Die These: Es macht sich zwar bezahlt, kompromissbereit zu sein, jedoch nur, wenn die Ausgangssituation dabei in Erinnerung bleibt.

Deshalb ist es gängige Praxis der Yoga-Schule, Kompromisse aller Art als feine und sanfte Exempel einzuüben. Im konkreten Fall des morgendlichen Übens wird sich eine annehmbare Lösung dann finden, wenn der übergeordnete Aspekt des Wohlbefindens aller Beteiligten im Blickfeld bleibt.

Wer brahma-muhūrta erprobt hat, wird das damit verbundene Befinden nicht mehr missen wollen.

Was üben wir im Yoga?