F+A brahma muhurta
„Ohne Unterbrechung“ sollte im Sinne von „regelmäßig“ verstanden werden. Es ist offensichtlich, dass kein Übender, wie begeistert und aufrichtig er auch sein mag, in der Lage ist, vierundzwanzig Stunden am Tage – ohne Unterbrechung für seine Alltagsangelegenheiten – zu üben. Was deshalb gemeint ist, sieht so aus:
Er sollte regelmäßig jeden Tag – ohne nur einen Ausfalltag – üben.
Er sollte zu einem Zeitpunkt gemäß seinen eigenen Erfahrungen üben.
Er sollte – besser – zu einem Zeitpunkt üben, den ihm sein Lehrer als wesentliche Notwendigkeit für seine Entwicklung gegeben hat.
Auch das ist im praktischen Leben schwierig. Deshalb sollte verstanden werden, dass der Übende versuchen muss, so wenig wie möglich Unterbrechung in der täglichen Regelmäßigkeit zu haben. Es ist ganz offenkundig: je größer die Ernsthaftigkeit, desto geringer die Anlässe zur Unterbrechung.
Dr. P.W. Karambelkar in Patañjala Yoga Sūtra
Bei der hier (per email) gestellten Frage geht es um das – leicht gespielte – Verwundern des Lehrers über das Ausbleiben von Rückfragen den besten Übungszeitpunkt betreffend.
Frage: Noch etwas zu Ihrer Bemerkung, daß Sie keine Rückmeldung zum Text der letzten Woche bekommen haben. Ja, der Text ist mir aufgestoßen. Aber, wenn ich die Übungsmatte verlasse, weiß ich solche Fragen, die der Text hervorruft, nicht mehr. Außerhalb der Übungsstunde lese ich die Texte nicht. Sollte ich das tun? Soll ich mir während der Stunde aufschreiben, wenn mir was an einem Text aufstößt?
Antwort: Damit sprechen Sie gleich mehrere wichtige Themen an: Zunächst zum Schritt auf die Übungsmatte und dem Schritt zurück in den Alltag. Schon diese zwei Welten – mit je einer Identität – zu sehen, geschweige miteinander ins Gleichgewicht zu bringen, sie aneinander zu jochen, ist für uns Europäer schwieriger als für Inder. Denn es geht nicht schnell, nicht in dem von uns erwarteten Tempo. Im Nichterkennen des völlig anderen Zeitgefüges im Yoga liegt für mich die Begründung, sogar die Entschuldigung für die Reaktionsschwäche der Übenden auf gestellte Fragen und aufgetragene Übungen. Zu verstehen, dass es zweier Identitäten bedarf um zur Einheit des „Ich bin ICH“ zu kommen, bereitet uns Probleme – weil wir Erklärungen dafür haben wollen, statt einfach die Formel zu sprechen. Schreiben Sie sich also, noch auf der Matte oder direkt danach, ein Stichwort auf. Bald werden Sie diese Hilfe nicht mehr brauchen, Ihr Erinnerungsvermögen wird sich ändern. Sie werden auch erfahren, welches Ich das wahre und welches sein Schatten ist.
F: Sie sagen es gibt mehrere Punkte zu meiner Frage.
A: Ja, denn was Sie da etwas salopp „aufstoßen“ nennen, ist in Wahrheit ihr Kapital Ihre Chance. Was Ihnen aufstößt, ist mehr wert als all das, was Sie von anderen gelernt haben. Geben Sie bitte Ihren Intuitionen einen besseren Namen. Und mit Kapital meine ich nicht nur monetäre Mittel. Vielmehr noch ist der Wechsel vom Fremd- zum Eigenbestimmtsein die Chance zur Erneuerung unseres Befindens und unserer Heilungen.
F: Können Sie bitte den Zeitpunkt etwas schärfer fassen?
A: Sicher, damit kommen wir zum Anlass Ihrer Frage zurück. Es ging dabei um die beste Übungszeit. Sie heißt brahma-muhurta, die Stunde Brahmas, die für uns leider problematische Zeit am ganz frühen Morgen. Es ist die Zeit in der der Traumzustand noch nicht ganz gewichen und der Wachzustand noch nicht ganz erreicht ist. Es ist der Zeitpunkt des Genius in uns selbst. Seit 1977 beschäftigen wir uns intensiv, praktisch und studienmäßig, mit dem Thema. Das Problem besteht darin, dass der Übende nach ein oder zwei Jahren Praxis noch nicht viel dazu sagen kann. Gelegentlich auftauchende gute Einfälle rechnet er mehr dem üblichen Zufall zu als dem, was ihm „zu fällt“ – und wofür es eine Methode gibt.
F: Was tue ich, am frühen Morgen, wenn mir nichts einfällt, keine Fragen, keine Antworten?
A: Anfangs beobachten Sie den Atem. Später fragen Sie, wer den Atem beobachtet. Sie werden auch dafür Jahre brauchen, bis Sie in der Schlichtheit dieser Übung stabil geworden sind. Wie Sie eingangs sagten, „Sie“ werden „nichts mehr wissen“, wenn Sie zum Üben Platz genommen haben. Wenn „Sie“ nichts mehr wissen, aber halbwach sind, ist das die Zeit und Gelegenheit Ihrer Intuitionen.
Yoga Nidrā – Der Heilschlaf der Yogis
Zwei Übungen von jeweils 30 Min
The Bhagavad Gita as a Living Experience
„An accessible introduction …“ Publishers Week
„Highly recommended“ Library Journal