āsā saṃkalpa tapas kṣudhā artha
„Mama, ich habe Kuchenhunger“, sagt Carolin (acht Jahre alt). „Orte wie Kaunas sind jung und hungrig und Donatus und Wladimir nur zwei von ihnen“, stellt Wolfgang Büscher den Ort und zwei seiner Bewohner vor (aus seinem Bericht von einer Fahrt durch das neue EU-Land Litauen in der „Welt“ vom 3. Mai 2004).
Vom „Bildungshunger“ haben bestimmt auch jene schon gehört, die nicht darunter leiden.
Hunger ist eine steigerungsbereite Grundfunktion der Kreatur. Beim Menschen, außer im direkten, auch im übertragenen Sinn. Hunger – beide Formen – allein gelassen, kann zerstörerisch sein, aber sein Fehlen ebenso. Es wäre seltsam, wenn es im Yoga für diese Kraft keine kultivierende Ordnung gäbe.
āśā
„Gesunder Hunger“ beginnt mit dem Wunsch (āśā) zu essen oder/und zu wissen.
saṃkalpa
Der Wunsch verdichtet sich zum Entschluß (saṃkalpa).
tapas
Durch Übung (tapas ist ein anderes Wort für Yoga) bekommt der Entschluss Kraft und Dynamik.
kṣudhā
Hunger (kṣudhā) ist deutlich geworden und hat seinen Namen bekommen. Im Prozess seiner Entwicklung findet er den Ausgleich durch Sättigung.
artha
Dieser Wohlstand (artha) hat sein eigenes Recht.
Ob der Mensch seinen Hunger bewusst eher steigern oder drosseln sollte, hängt von der jeweiligen Situation ab. Alle Wesen haben einen eingebauten Sinn für die Steuerung ihrer wenigen Basisfunktionen. Zuneigung und Abneigung, Ernährung, Wachen und Schlafen, Fortpflanzung folgen einfachen rhythmisch-zyklischen Gesetzen, die ihre Auswirkung bis hin zur Erhaltung oder dem Untergang der Art haben. Auch bei der Art Mensch ist das nicht anders, selbst dann nicht, wenn sein Bewusstseinstyp einen gewissen Einfluss auf den Steuerungsspielraum zu nehmen versucht.
Was sich der Mensch, im Gegensatz zum Rest der Schöpfung, selbst zu verordnen vermag, ist ein Einziges: die Pause. Genauer, die Dauer der Pause.
Zwischen dem Kommen und Gehen des Atems liegen Pausen. Schöpferische Pausen, in denen nicht das Ich, sondern der innere Meister Regie führt. Genau hier ist der Moment der Steuerung, der Einfluss auf den Steuerungsspielraum gegeben, hier kann gesteigert oder gedrosselt werden. Dass an dieser Stelle ein ichhaft gestärkter Wille nichts nützt, sondern der schlichte Wunsch, āśā, gegenüber dem inneren Genius die weiterführende Macht besitzt, ist Sache der yogischen Erfahrung.
Nicht nur yogische, auch allgemeine Erfahrung ist es, dass wir manchmal, oder oft, von vorn anfangen müssen. Der Rest des Weges, vom Wunsch – nach Kuchen oder Arbeit oder Wissen – zum gesunden Hunger darauf, ist – ebenfalls nach yogischer Erfahrung – verhältnismäßig einfach. Und artha, Wohlstand, vor allem im erweiterten Sinn, der durch rechtschaffenes Handeln erworben wurde, ist die Folge.
Yoga Nidrā – Der Heilschlaf der Yogis
Zwei Übungen von jeweils 30 Min