Yoga und Sport
Frage: Das Buch „Sport und Yoga“ hat Selvarajan Yesudian geschrieben. Wir üben den Yoga nach der Methode Yesudian. Mich wundert, was der Sport mit dem Yoga zu tun hat. Können Sie mir darüber etwas sagen?
Antwort: Das ist ein komplexes Thema. Zunächst: das Buch wurde von Selvarajan Yesudian und Elisabeth Haich geschrieben. Das ist wichtig, weil dadurch sowohl östliche wie westliche Belange dargestellt werden, die auch in der Yogaschule der beiden Autoren Basis des Unterrichts waren. Das Buch ist eines der weltweit verbreitetsten Yogabücher (im Jahr 1984 war es bereits in 3000000 Exemplaren und 18 Sprachen erschienen). Weiter: bei dieser Gelegenheit muss ich davon sprechen, dass die beiden Autoren und Lehrer keine Methode begründet haben; wir, ihre Nachfolger, haben die Art und Weise ihres Unterrichts – mit seinen besonderen Merkmalen – die Methode Yesudian genannt. Wir wollen keine Verwechslung mit anderen Stilrichtungen. Schließlich: Yesudian war ein ergebener Verehrer Svami Vivekanandas, des Mannes, der am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts dem Westen die Augen für den Yoga geöffnet hat. Vor diesem Hintergrund ergibt sich nun eine Möglichkeit Ihre Frage zu beantworten.
F: Das meiste, was Sie sagten, kannte ich bereits. Was ich immer noch nicht weiß, ist die Verknüpfung der Ideen Sport und Yoga.
A: Man muss wirklich bei beiden zwischen der sie tragenden Idee und ihren modernen, ja modischen, Formen unterscheiden. Tut man das, liegen ihre Absichten nicht so weit auseinander. Beide Disziplinen stehen für Gesundheit und Tüchtigkeit des Menschen. Der Sport geht von außen nach innen, der Yoga umgekehrt von innen nach außen an diese Aufgabe heran.
F: Wir machen doch aber auch im Yogaunterricht hauptsächlich Körper-, Atem- und Entspannungsübungen und sprechen dabei die beteiligten Teile des Körpers an.
A: Stimmt. Und genau das nenne ich modisch. Nicht grundsätzlich, aber so wie es meist praktiziert wird und wie Sie es ja auch fragen.
F: Gibt es nicht eine Übungsform, Haṭha-Yoga, die sich auf Körperübungen, Umgang mit dem Atem und Meditation beschränkt? Und wurde nicht gerade dieser Übungsstil von Yesudian/Haich unterrichtet.
A: Genau an dieser Stelle beginnt der Irrtum. Yoga ist Yoga und Yoga, gleich in welcher Form, hat ein einziges Ziel – wozu Gesundheit und Tüchtigkeit Voraussetzungen sind: kaivalya.
F: Was ist kaivalya?
A: Tun Sie sich und mir den Gefallen und lassen Sie das Wort vertrauensvoll unübersetzt. So wie es für das Wort Yoga viele Übersetzungen gibt, die Sie nicht kennen, so gibt es für kaivalya hunderte Übersetzungen – die alle nicht zutreffen. Sie vertrauen, mit einer gewissen berechtigten Vorsicht, auf das ja eigentlich auch unbekannte Wort Yoga, tun Sie einfach das gleiche mit dem Wort kaivalya, es erklärt sich Ihnen zur gegebenen Zeit von selbst.
F: Ich hätte gern noch ein paar Vergleiche oder Unterschiede zwischen Yoga und Sport. Geht das?
A: Gern. Wir sprachen von Svami Vivekananda. Dort ist der Schlüssel. Yesudian wusste natürlich, was wir nicht wissen, warum Svami Vivekananda dieser Name gegeben wurde. Das Wort viveka heißt Unterscheidung und Vivekananda heißt Freude/Wonne der Unterscheidung. Wenn jemand so benannt wird, muss das einen Grund haben. Der Grund liegt im tiefen Wissen des Weisen verankert und wirkt allein durch seine Existenz. Das Mittel auf dem Weg zu kaivalya ist Unterscheidung, die Unterscheidung zwischen dem was vergänglich und dem was nicht vergänglich ist, zwischen dem was ich zu sein scheine und dem was ich in Wahrheit bin. Und weil letztlich jeder Weg ein Stück des Weges zu kaivalya ist, ist viveka, Unterscheidung, überall wirksam bzw. anwendbar.
F: Ich muss das genau haben. Im Sport und im Yoga gilt Unterscheidung als Technik und Maßstab?
A: Sicher. Ein Beispiel: Der Sportlehrer unterscheidet, ob sein Schüler, bevor er ihn laufen lässt, imaginativ – das ist ein anderes großes Wort – schon über die hohe Latte gesprungen ist oder noch nicht. Und ebenso unterscheidet der Yogalehrer, ob sein Schüler in seinem sādhanā, seinem Yogaweg, gefestigt ist, bevor er ihm vertiefende Übungen gibt. Bücher, wie Sport und Yoga, sollte man einige Male lesen, schon um den Grad der eigenen Entwicklung zu erfahren.
Yoga Nidrā – Der Heilschlaf der Yogis
Zwei Übungen von jeweils 30 Min