Sitzen
Was uns so alles über die Körperhaltungen der Yogis erzählt wird, rechtfertigt einen deutlichen Zugriff.
Indische Lehrer haben zwar ebenfalls unterschiedliche Vorstellungen vom Üben der yoga-āsanas, bei ihnen laufen aber alle Übungen – anders als bei uns – auf die Yoga-Sūtras des Patanjali hinaus.
Im zweiten Kapitel der Sūtras finden wir einen Text, der in der Hand kompetenter Lehrer einen sinnvollen Zugang zum Yoga erlaubt. Allerdings sollte schon seine Kürze – drei Worte – ein Hinweis darauf sein, dass es sich um eine klare, einfache Sache handelt. Eigentlich geht es dabei um einen Zustand, in dem es nichts zu tun gibt. Weil das für uns unvorstellbar ist, liegt darin die Chance des Lehrers.
Der Lehrer muss zwischen āsana und āsanas unterscheiden.
Yoga-Sūtras II/46 und II/47 beschreiben als āsana eine absolut singuläre, in sich souveräne Übungsform; kein Eingriff ist nötig oder möglich, die Übung entwickelt und vollendet sich von selbst.
sthira-sukham āsanam //
Die Sitzhaltung ist fest und angenehm
prayatna-śaithilya-ānantya-samāpattibhyām //
(Dies gelingt) durch das Schwinden der Anstrengung und durch das Versenken in das Unendliche.
Der eigenen Dynamik überlassen, erweitert sich der „Yoga der drei Worte“ zu seiner vollen Gestalt.
Die Aufgabe des Lehrers besteht darin, auf die Autonomie des Verlaufs, das heißt, auf die scheinbar widersprüchliche Tatsache des Durchwanderns der acht Glieder bei gleichzeitigem Verweilen in der Sitzhaltung, aufmerksam zu machen.
Außerdem ist āsana, das dritte Glied von aṣṭāṅga, dem achtgliedrigen Weg, in dieser – ebenfalls eigenständigen – Weise, der Ursprung für die nächsten Glieder. Fehlt āsana (Singular), entstehen weder prānāyāma noch die folgenden Glieder. Auch samādhi, der höchste Zustand, ist eine Folge des Stillhaltens in āsana.
Der Pfeil in unserem Diagramm zeigt in das Übungsglied āsana und markiert den Einstieg zum Durchschreiten von aṣṭāṅga.
Erst mit der als dhyānaja citta bezeichneten Änderung der Verfassung unseres Gemüts ist ein Verständnis für yama (die äußere) und niyama (die innere) Ordnung des Yoga überhaupt möglich. Der Zustand dhyānaja citta wiederum kann ohne die beim Durchwandern von aṣṭāṅga entstehende Erfahrung nicht erreicht werden.
Eine Parallele zur dynamischen Selbständigkeit des „Sitzens an sich“ kennen wir vom Zazen, dem „Sitzen in Versunkenheit“, des Zen-Buddhismus.
Die wichtigste Aufgabe des Yogalehrers ist es, herauszufinden in welchem Entwicklungszustand sein Schüler ist, ihn darin zu bestätigen und zur besinnlich-sitzenden Entwicklung ebenso zu ermuntern wie zur Übung der āsanas und – vor allem – zur Unterscheidung zwischen beiden.
Yoga Nidrā – Der Heilschlaf der Yogis
Zwei Übungen von jeweils 30 Min
The Bhagavad Gita as a Living Experience
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