nidrā – Ist der Tiefschlaf ein vṛtti? Der Versuch einer Antwort
abhāva-pratyaya-ālambanā vṛittir nidrā
Der Schlaf ist eine vṛitti, die auf der Vorstellung
(oder Wahrnehmung) des Nichtseins beruht.
Yoga-Sūtra I, 10
jāgarita-sthānaḥ
Der Stand des Wachseins weiß um das Außen.
Sein Merkmal ist vaiśvānara, das, was allen Menschen gemeinsam ist, was allen gehört.
svapna-sthānaḥ
Der Stand des Traumschlafs weiß um das Innen.
Sein Merkmal ist taijasa, der Glanz (des Traumes).
suṣupta-sthānaḥ
Wo der Schlafende keinerlei Wunsch wünscht, keinerlei Traum träumt.
Sein Merkmal ist prajña, das Wissen.
caturthaḥ
Der Vierte. Mit nichts zu vergleichen.
Mit dem man keine Beziehung eingehen kann.
Wege, die endlos weiter gehen und/oder ausweglos sind, gibt es nur im Bereich des naturwissenschaftlich-linearen Denkens. Das ist jāgarita-sthānaḥ, der allen Menschen gemeinsame Zustand.
Der jedem Menschen eigene, individuelle Zustand heißt svapna-sthānaḥ, er umfasst den Tag- und Nachttraum. Er kennt immer Wege, Auswege. Er ist voller Kreativität. Muse und Musikalität, Töne, Farben und Gestalten, Entdeckungen sind sein Element. Es ist der Bereich der philosophisch-zirkularen Denkformen.
Der allen Wesen eigene Zustand des reinen, unvermischten, ruhenden Wissens (um die eigene Identität) heißt suṣupta-sthānaḥ. Er kennt und braucht keine Wege, er ruht, wie und als sein Denken, in sich selbst. In suṣupta-sthānaḥ, dem Tiefschlaf, ist sich der Mensch dessen und der ihn ausmachenden vṛttis nicht bewusst, kann sich jedoch daran erinnern, ihn gehabt zu haben, „geschlafen“ zu haben.
Mit allen drei Zuständen identifiziert sich der Mensch: er wacht, träumt und schläft. Die Yoga-Sūtras nennen das Medium der Identifikation vṛtti (und gebrauchen damit ein unübersetzbares Wort). Die verschiedenen Zustände voneinander zu unterscheiden ist die Kunst der Yogis, ist der Yoga selbst. Die Technik der Yogis, diese zu bewirken, heißt viveka, die Kraft der Unterscheidung.
Völlig anders als die anderen ist der Zustand caturthaḥ. Er hat keine vṛttis, ist nicht erinnerbar, ist in den anderen als deren dimensionsloser Mittelpunkt enthalten. Ein Bild könnte es erklären: Der Punkt, an dem die Zirkelspitze einsticht, hat keine Abmessung, verhilft aber seiner Peripherie zu Form und Gestalt.
Die Frage nach dem Sinn des Yoga-Sūtra I,10 wurde von einer langjährig Übenden gestellt. Weil sie sich nicht direkt beantworten lässt, wurde dazu die Struktur der Mandukya Upanishad, in der Übersetzung von Margret Distelbarth und der Auslegung der Yoga-Schule Stuttgart Rudolf Fuchs, herangezogen. Das eigentliche Problem, das Fehlen der Deckungsgleichheit zwischen yogischen, überhaupt östlichen, und westlichen Begriffen muss extra dargestellt werden.
Yoga Nidrā – Der Heilschlaf der Yogis
Zwei Übungen von jeweils 30 Min
The Bhagavad Gita as a Living Experience
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