Yoga-Vidya – Westliche- und Yoga-Wissenschaft – Seite 1

Die Frage, was Yoga und westliche Wissenschaft miteinander zu tun haben, ist leicht zu beantworten: Sie haben das gleiche Ziel. Aber, was die westlichen Wissenschaften mit ihren Mitteln erreichen wollen, beschäftigt die Yoga-Wissenschaft in ihrer eigenen Weise. Beiden Lehren geht es um den Sinn des menschlichen Lebens sowie um die Erhaltung und Verbesserung jener Qualitäten, die es uns ermöglichen diesen Sinn erfüllen zu können.

Der Unterschied beider Wege ist ebenfalls leicht zu erklären: Die östliche Lehre beschäftigt sich mit den strukturgebenden, spirituellen Kräften, während die westliche Wissenschaft mit deren Niederschlag umgeht.

Die östliche Lehre sagt: nama-rupa (erst das Wort, aus dem Wort entsteht die Form), die westliche Lehre erforscht die zur Form gewordenen Erscheinungen (und fasst diese in Worte).

Beide Richtungen in ihrer polaren Zusammengehörigkeit, also auch in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit, zu sehen und aufeinander wirken zu lassen, ist das Thema des zeitgemäßen und fälligen Fortschrittes auf allen Gebieten.

Ein aktueller Anlass die gegenseitigen Beziehungen auszuloten und zu beleben ist die Gen-Forschung. Er bietet sich aus der Größe, Komplexität und Reichweite seiner Zusammenhänge heraus an. Als direkten Hinweis auf die nötige Ergänzung westlichen Forschens durch eine traditionell nicht-erfolgsoptimierende Betrachtungsweise könnten die sofort nach dem Bekanntwerden der neuesten Forschungserfolge lautgewordenen Zweifel an deren Sinn verstanden werden. Mit dem Erscheinen der Meldungen tauchte eine Fülle ethischer Fragen und glaubensbezogener Probleme auf. Man will wissen, was da auf uns zukommt. Und man ist besorgt um die Fähigkeit des heutigen Menschen, in seinem primär wirtschaftlich geprägten Denken, mit dem Format des Themas umgehen zu können.

Was aber hat Yoga mit diesem Thema zu tun?
Nun, der Yoga, den die meisten Menschen heute meinen, hat nichts damit zu tun, auch nicht der Yoga der Indologen, wie er an den Universitäten gelehrt wird.

Als Yoga-Schule sprechen wir von der Yoga-Lehre und -Praxis, die sich in unserem Lande schon seit Jahrzehnten fast unbemerkt aufgebaut hat. Wir reden darüber, dass das Zusammenwirken westlicher – erfolgsorientierter – und östlicher – kontemplativer – Methoden hier zu Lande schon lange – ohne öffentliche Kenntnisnahme für einige Menschen Alltagsgeschehen geworden ist.

Und wir betonen, dass es gerüttelt feste Erfahrungen im Umgang mit den beiden einander ergänzenden Kräften gibt. Dass die Öffentlichkeit keine Kenntnis von dieser Entwicklung hat, liegt in ihrer Natur: Es gibt für sie kein Forum, keine Lobby, keine Werbung. Es liegt in der Natur der Yoga-Idee, dass sie gesucht wird, sich jedoch nicht anbietet.

Deshalb gibt es bei einer Zusammenarbeit zwischen Ost und West ein Problem:
Der Yogalehrer muss über lange Strecken den Yoga mit Mitteln vermitteln, die nicht Yoga sind.
Die Yoga-Lehre hat sich eine Verschlüsselungstechnik zugelegt, um die sie manche geheimnisvollen Dienste und Info-Techniker beneiden könnten:

Vyāsas Kommentar zum Yogasūtra III,6:

yogena yogo jñātavyo
yogo yogāt pravartate /
yo´ pramattas tu yogena
sa yoge ramate ciram //

Der Yoga wird durch den Yoga erkannt.
Der Yoga geht aus dem Yoga hervor.
Wer sich durch Yoga nicht verwirren lässt,
erfreut sich durch Yoga lange am Yoga.