Loslassen

Frage: Email einer Schülerin. Vom 17.1.02: Auf Ihrer Webseite „Grundriss“ sprechen Sie vom „Loslassen“. Ich habe damit meine persönlichen Schwierigkeiten. Sie haben oft gesagt, dass wir nur SAGEN können „loslassen“, da „Loslassen“ wiederum eine Aktion bedeute und wir das „Loslassen“ nicht „machen“ können. Können Sie dazu etwas mehr sagen?
Antwort: Gut, ich werde etwas weiter ausholen und beziehe Sie in eine Art Dialog zwischen uns ein. Das Wort nirodha, aus dem Text des zweiten Sutra, gilt als das große, den gesamten Yoga bezeichnende Wort – Yoga ist nirodha. Und Loslassen meint, wenn auch nicht in der gleichen klaren, unmissverständlichen Weise, ebenfalls nirodha.

F: Und wie gehe ich mit dem Wort Loslassen um?
A: Sie fragen richtig. Sie gehen mit dem „Wort“ um – nicht mit einem Gegenstand oder einem Gedanken. Also ganz praktisch: Ebenso, wie Sie mit dem Wort nirodha verfahren, indem Sie es sprechen. Unausgesprochen, – nur gewusst – bleiben Worte tot, eher Ballast in unserem Gemüt.

F: Und von dort her, dass ich das Wort ausspreche, soll es etwas bewirken?
A: Bringen Sie mich bitte nicht in die Versuchung totes Wissen zu vermitteln. Ich drücke mich lieber deutlich und anweisungsbezogen aus, wenn es auch etwas hart klingt: Tun Sie den Mund auf und sagen Sie „loslassen“.

Es gibt so vieles, was uns nur deshalb belastet, weil wir damit unsachgemäß umgehen, diesen Bestand wollen wir im Yoga nicht noch vergrößern. Ein gutes Beispiel für die Situation, in der wir jetzt gesprächsweise sind, finden wir in dem Büchlein von Eugen Herrigel „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ (Otto Wilhelm-Barth-Verlag). „Weil Sie nicht von sich selbst loskommen“, sagt der Meister zu seinem Schüler Professor Herrigel, als Begründung dafür, warum bei ihm der rechte Schuß im rechten Augenblick ausbleibt. Später wird der Meister sehr ärgerlich und will den Unterricht beenden, „weil Herrigel ihn hintergangen habe“. Der Meister sagt, hintergangen habe er ihn deshalb, weil er, Herrigel, geschossen hat (und auch noch glaubte, sein Schuss sei ausgezeichnet gelungen.) Er hatte noch nicht verstanden zu fragen, „wer schießt?“

Übertragen auf eine Yoga-Übungssituation würde das bedeuten: Am Höhepunkt der Spannung tritt die Lösung von selbst ein, vorausgesetzt, wir haben mit dem „Wort“ geübt, nicht mit einem Gegenstand (z. B. dem Körper) oder einem Gedanken.