Kann man Homöopathie im Yoga anwenden?

Frage: Gibt es in Indien auch Homöopathie im Sinn von Hahnemann, also eine Therapie mit Hilfe von Medikamenten? Wenn ja, kann man dann Homöopathie im Yoga anwenden?
Antwort: In Indien gibt es hervorragende Therapeuten der klassischen Homöopathie, ebenso wie entsprechende Literatur. Allerdings müssen wir im Auge behalten, dass dort der therapeutische Ansatz – wie auch wie der yogische – vor dem Hintergrund des traditionellen östlichen Weltbildes stattfinden. Für uns ergeben sich daraus zwangsläufig vergleichbare und nicht vergleichbare Bilder. Während das Vorgehen der homöopathischen Praktiker in Indien, dem unserer Therapeuten entspricht, ist ihr behandlerisches Ziel nicht unbedingt deckungsgleich mit westlichen Vorstellungen vom Heil- und Gesundsein. Dieser Blickwinkel hilft uns weiter: Gerade bei der Betrachtung der homöopathischen Praxis in Indien treten auch die westliche Fehlinterpretationen der Yogalehre ans Tageslicht, ebenso, dass unserem Yoga ein Grundelement fast verloren gegangen ist.

F: Was meinen Sie mit Fehlinterpretation und welches Yogaelement ist abhanden gekommen?
A: Beide Teile der Frage lassen sich zusammen beantworten: Yoga baut nicht auf, sondern ab. Die Yogalehre beruht auf dem Prinzip nirodha, dem „zu Ende gehen lassen“. Erst nachdem „das“ zu Ende gegangen ist, kommt die Erneuerung. Solange auch nur Spekulationen vorhanden sind, wie die Erneuerung (z. B. als Heilung) auszusehen hat, ist nicht wirklich etwas zu Ende gegangen.

F: Ist das nicht eine Spekulation in sich selbst? Und was ist die Parallele dazu bei der Homöopathie?
A: Yoga – das ist zunächst der Unterschied – macht keinerlei Versuche Beweise außerhalb des sādhana (der Yoga-Praxis) anzutreten. Die Gleichheit mit der Homöopathie besteht darin, dass auch dort die mitgebrachten Beschwerden gegenüber den neu in Szene gesetzten zurücktreten.

F: Ich muss mich also bei der Yoga-Therapie (und der Homöopathie) auf etwas mir völlig Fremdes, nicht Erklärbares einlassen.
A: Ja, nur sehe ich kein Risiko darin. Wenn es Ihnen nicht gefällt die Arme zu heben, wenn angesagt wird „Arme heben“, dann können Sie es ja sofort wieder lassen. Und mehr geschieht im Grunde nicht.

F: Und das soll mir helfen? Wissen Sie, wie oft ich am Tage die Arme hebe?
A: Pardon, ich sagte, die Arme auf „die Ansage, die Anweisung hin“ heben. Das ist wiederum ein Unterschied. Wahrscheinlich wird Ihnen sehr bald nichts vertrauter sein als die „Ansage“, etwas, das mehr von innen her, statt von jemand anderem zu kommen scheint.

F: Eine andere Frage. Es wird von „Substanzen“ als „körpereigenen Mitteln“ gesprochen. Geht das etwas genauer?
A: Gewiss, diese Frage ist sehr wichtig. Wie stellen wir uns denn die Wirkungsweise der āsanas (Körperhaltungen) und anderer YogaTechniken überhaupt vor? Ich möchte trotz der Bedeutung der Frage nicht zu weit gehen, aber so viel lässt sich sagen: Alle physischen und psychischen Vorgänge lösen teils erforschte, teils unerforschte biochemische Reaktionen aus. Gehen, sprechen, auch schlafen und essen bewirken Veränderungen im feinstofflichen Bereich der Kräfte und Säftezirkulation. So auch im übenden Geschehen, jedoch mit dem Unterschied, dass eine wesentlich stärkere Wirkung bei den vom üblichen Verhalten abweichenden Situationen – wie āsanas – eintritt,

F: Gibt es noch weitere Hinweise, was in der Yogasituation geschieht?
A: Natürlich, eine Fülle. Zuerst – und besonders in Verbindung mit dem Thema „ähnliches, neues Leid“, also „Homöopathie“ – das wichtigste: Wir gehen beim Üben bewusst an „die Schmerzgrenze“. Das heißt, wir erhöhen die Achtsamkeit für den feinen, durch die Übung ausgelösten Schmerz in der Weise, dass wir den allerersten Schmerzimpuls fühlen lernen. Was daraus resultiert, lässt sich lernen, aber auch beim besten Willen nicht in diesem Rahmen besprechen. Es ist das Können des Yoga-Therapeuten, entsprechend der Kunst der Mittelwahl bei der Arznei-Homöopathie, diesen Zustand einzuleiten und unter Kontrolle zu halten.