Heilerde
Der Inder Chandra Rajneesh Mohan, besser bekannt als Bhagwan Shree Rajneesh und später Osho, war nicht so leicht aus seiner erhabenen Ruhe zu bringen. Als er aber von einem Anhänger, wahrscheinlich einem Deutschen, gefragt wurde, was er von der Anwendung von Heilerde halte, sei er, so wird berichtet, ziemlich ungnädig geworden. Für ihn kam das „Heil“ aus einer anderen Richtung. Zugegeben, ruft das kompakte Wort „Heilerde“ deutlicher hilfreiche Erwartung auf den Plan als seine schlichte Entsprechung „healing earth“ es zu tun vermag. Trotzdem wäre Rajneesh gut beraten gewesen, vor seiner Entrüstung selbst einen Versuch zu machen, zumal dann, wenn ihm die Frage gestellt wurde, nachdem er, wie ebenfalls behauptet wird, mit Gift in Berührung gekommen war.
Heilerde hat etwas mit Giften zu tun. Und wir mit beidem. Mit Giften meinen wir nicht die aus dem Giftschrank, sondern solche, die der Körper oft selbst produziert, zum Beispiel die Stoffwechselprodukte der Darmbakterien. Und mit Heilerde meinen wir eine Substanz, die, bei sachgemäßer Anwendung, eine enorme Oberfläche entwickelt und damit die Gewebe der inneren Organe vor schädlichen Stoffen schützt, die außerdem neutralisierend auf unerwünschte Substanzen im Verdauungsbereich wirkt. Mit diesen Worten ist – absichtlich vage – beschrieben, was ohnehin nur die Praxis beweisen kann. Die Anwendung von Heilerde folgt einer einfachen naturheilkundlichen Regel: „Probleme“ von innen nach außen und von oben nach unten zu lenken.
Ich komme auf das Thema überhaupt nur, weil ich erstaunte Gesichter vor mir sehe, wenn bei Schmerzen in den Knien oder Beschwerden im Bauch, sogar im Kopfbereich, dort besonders bei neuralgischen Schmerzen, Fußsohlenpackungen verordnet werden. Oder wenn bei Stuhlverstopfung und Durchfall gleichermaßen Heilerde, wenn auch in unterschiedlicher Form, angewandt wird. Die Therapie mit Heilerde ist nichts für eilige Patienten. Im Bauchbereich ist vielleicht sehr rasch eine Wirkung zu spüren, was aber nicht dazu führen darf, die Behandlung als beendet zu betrachten. Bei der äußeren Anwendung, besonders auf den Fußsohlen, ist viel Zeitaufwand geboten. Wer Heilerde nicht kurmäßig anwenden kann, sollte den Versuch ganz unterlassen.
Wie bei allen Substanzen der Natur ist die Wirkung von Löß, dem einzigen Bestandteil der Heilerde, nicht durch physikalisch erfassbare Werte begrenzt. Diese besondere Erde transportiert allein schon durch ihr Alter und die Art ihres Entstehens Qualitäten, die man nicht messen oder wiegen kann. (Die Lößteilchen sind der feine Abrieb der Gletscher beim Rutschen über die Gesteinsflächen. Der Abrieb enthält deshalb aus allen Gesteinen des Gletscher-Einzugsgebietes Mineralien, er ist sehr mineralienreich und damit sehr fruchtbar.)
Ein Allheilmittel ist die Heilerde nicht, realistisch gesehen ist sie noch mehr: ein so-gut-wie-alles-beeinflussendes Mittel. Dem Therapeuten kommt es darauf an, den so genannten Circulus vitiosus einer sesshaft gewordenen Krankheit zu unterbrechen. Er entzieht einer zur Autonomie neigenden Dynamik ein Zwischenglied. In vielen Fällen nutzt der „innere Arzt“ die dabei entstehende Pause dazu, eigene Abwehrmaßnahmen in Bewegung zu setzen. Wir sind sicher, dass Shree Rajneesh, wenn er nach Methoden der heimischen ayurvedischen Heilkunde gefragt worden wäre, anders geantwortet haben würde. Bhārata Desa (Indien) ist besonders reich an Heilkräften der Natur.
Wichtig: Die hier beschriebenen Vorgänge dürfen niemals als Ersatz für den Arztbesuch verstanden werden. Aber der Arzt wird sich freuen, wenn wir geschickt mithelfen.