Ununterbrochen und Wer kennt denn die Übungen?

Frage: In Ihrer Ansprache vor der heutigen Übungsstunde haben Sie drei Stichworte hervorgehoben. Sie betonten, als Kernaussage des Textes auf dem Übungsblatt steht das Wort „ununterbrochen“ und gebrauchten dann eine anspruchsvolle Gleichsetzung: „Das Leben ist ununterbrochen, so ist auch der Yoga ununterbrochen“. Dazu möchte ich nur die Bestätigung haben, dass es sich dann um sahaja-yoga handelt. Ihr zweiter Punkt war nicht minder wichtig. Sie sagten, die größte Gefahr für den Yogaübenden sei das Gespräch, und schränkten ein, dass nicht das allgemeine, sondern das besondere, das über Yogathemen, gemeint ist. Ihre Argumentation fand ich originell und möchte sie gern – als Ausnahme – noch einmal hören, bzw. lesen. Die Gelegenheit, in ein Yogagespräch verwickelt zu werden, liegt recht nahe – ich möchte für diesen Fall von erfahrener Seite her gewappnet sein. Schließlich führten Sie noch aus, dass in der Yogastunde strikt nach der Ansage der Übungen, nicht aber nach deren eigener Kenntnis geübt werden soll. Ihre Position war: „Wer kennt denn die Übungen?“ Das hätte ich gern noch etwas deutlicher.

Antwort: Die Hervorhebung des Wortes „ununterbrochen“ bezieht sich sowohl auf den Text Eknath Easwarans*, eines Mannes, der uns etwas zu sagen hat, wie auch auf den Yoga allgemein. Alle Lehrer sind sich einig, eine wirkliche Unterbrechung des Übungsweges erfordert den Neubeginn, andererseits meinen sie aber, Elemente, die eine Unterbrechung auszulösen vermögen, sollen in den Weg eingebunden werden. Meine Gleichsetzung schließt ein, dass „Leben“ nicht nur dort ist, wo wir es schon erkennen und so nennen. Im sahaja-yoga ist der Bogen der Erkenntnisbereitschaft wesentlich weiter gespannt. Aus sahaja-yoga entsteht sahaja-mārga, der eigene, innewohnende Weg.

Zu Ihrem zweiten Punkt fällt mir ein Dialog ein. Er betrifft eine unvermeidbare Situation in der der Yoga zur Sprache kommt, vielleicht mit einem alten Freund der in einer ganz anderen Welt lebt und sich brüskiert fühlen würde, wenn wir einfach freundlich abwinken. Etwa so: „Ich habe gehört, du übst Yoga. Erkläre mir doch bitte wie das geht.“ „Ja, gut, aber lass uns vorher eine Art Spielregel festlegen, denn das ist kein einfaches Thema.“ Der Freund ist einverstanden und Sie bitten ihn, zunächst selbst etwas zu erklären, damit ein gemeinsamer Stil gefunden wird. Er ist auch damit einverstanden. Sie sagen ihm: „Du warst doch kürzlich bei einem prächtigen Feuerwerk, es hat wohl eine halbe Stunde gedauert, ich konnte leider nicht dabei sein. Erkläre mir doch bitte, was in dieser halben Stunde alles am Himmel geschah.“ Wenn jetzt die Freunde lachen, können sie auch darüber reden, ob und wie ein Feuerwerk oder der Yoga mit Worten dargestellt werden kann, bzw. welche anderen Methoden Teilnahme, Teilhabe an einem Geschehen bewirken. Meinen Vorschlag kann jeder, auch ein Anfänger, sofort befolgen: Er imitiert seinen Lehrer bzw. die Gesamtsituation, in der er Unterricht erhält. Nur darf er sich dabei nicht selbst kompromittieren, indem er statt Übungen anzusagen über Übungen spricht.

Damit sind wir dann auch schon bei Ihrer dritten Frage angekommen. Übungen werden angesagt. Es ist wahrscheinlicher, dass sich der Lehrer bei der Ansage verspricht, als dass ein langjährig Übender die Übung nicht bestens kennt. Hier ist der entscheidende Punkt: es ist die Ansage, die in das Bewusstsein des Schülers übergeht. So wie der Lehrer, während er ansagt, die Worte von seinem Lehrer in den Mund gelegt bekommt, so gibt er sie weiter damit sein Schüler sie aufnehmen und – direkt oder indirekt – weitergeben kann. Der Vorgang heißt paramparā-prāptam und bildet die Grundlage unserer Weitergabe des Yoga.

F: Jetzt erinnere ich mich an noch eine Frage. Sie sagten bei der Übung matsyendrāsana: „Der Atem befreit sich viel Kraft in jedem Nervengeflecht entlang der Wirbelsäule“. Oh je, während ich jetzt frage, komme ich schon selbst auf die Antwort. Ist es richtig, dass niemals mir, dem Atem aber immer die zu befreienden Kräfte zur Verfügung stehen? Und dass man diesen Vorgang prānāyāma nennt?
A: Ja, das ist richtig.

*Das Geheimnis der Spontaneität ist Übung. Nur durch Übung können wir einen bestehenden Zustand verändern … Wir können uns nicht vornehmen, spontan zu sein. Wir können nicht über Nacht unsere Neigungen und Abneigungen verwandeln oder von einem Tag zum anderen die Depressionen aus unserem Leben verbannen. Aber wir können diese wunderbaren Veränderungen in unserem Bewusstsein bewirken, wenn wir bereit sind, die ununterbrochene Mühe aufzuwenden, die dafür erforderlich ist. Eknath Easwaran in „Mantram Hilfe durch die Kraft des Wortes“
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