Subliminal, harter Brocken
Frage: In Ihrem letzten Thema „Subliminal“ sind schon einige harte Brocken enthalten. Ich fange mal unten an. Da steht dreimal hintereinander das Wort „täglich“, ist das nicht in der Bewertung und in der Darstellung, auch gemessen am übrigen Text, etwas übertrieben?
Antwort: Nein. Von mir aus können Sie den übrigen Text streichen, lassen Sie nur diese drei Worte stehen. Und meine Absicht ist erfüllt.
F: Jetzt Übertreiben Sie bestimmt. Muss das so hart sein?
A: Ja. Angenommen jemand liest den Text und stimmt mehr oder weniger zu. Was ist damit gewonnen? Es gibt viele Texte in Büchern, in Ansprachen usw. denen wir teils zustimmen, teils nicht. Sich dort einzureihen, ist nicht die Absicht unserer Darstellungen im Yoga. Anders ist es besser: Jemand, der täglich übt, wäre in der Lage zum jeweiligen Thema einen eigenen Standpunkt zu gewinnen und eine eigene Aussage – auf der Basis seiner eigenen Erfahrung – zu machen. „Täglich“ will heißen „rhythmisch“. Und Rhythmus bedeutet im Yoga nicht das Befolgen des „eigenen“, meist nur eigenwilligen Rhythmus, sondern das Einlassen auf den größeren, ewigen Rhythmus, in Sanskrit genannt ṛtambharā (Yoga-Sutra I, 48).
F: Müssen Sie tatsächlich so betont sagen: „Seele, Seelenlehre gibt es im Yoga nicht?“ Sie verwenden im Unterricht doch immer noch die von Yesudian stammende Bekräftigungsformel „Im Körper, in den Gedanken und in der Seele“.
A: Hier haben Sie Recht. Wir haben uns zwar an die Grundzüge der Methode Yesudian gehalten – die er niemals als „Methode“ bestätigt hätte – aber eine gewisse Entwicklung hat es schon gegeben, wobei wir nicht wissen, wie er sich dazu gestellt hätte. Einzig die Bekräftigungsformeln, die es ja sonst bei keinem anderen System gibt, haben wir ganz unangetastet gelassen. Nennen Sie es Respekt oder Nostalgie, es wäre nicht ganz richtig und nicht ganz falsch. Denn Ihre Frage ist schon oft gestellt worden, auch im erweiterten Sinn: Warum enthalten die Bekräftigungsformeln diese starke „Ich“-Betonung – „Ich bin stark“ – wenn es doch im Yoga gerade um die Überschreitung des persönlichen Ich geht. Wir sind dann immer wieder an der gleichen Erfahrung angelangt, nämlich dort, wo Übende sowieso – und vielleicht gerade weil sie betont „Ich“ sagen – die Ich-Korrektur erleben. Übrigens passt Ihre zweite Frage, nach dem „Ich“, gut zur ersten: Wenn Sie täglich, auch wenn Ihnen gar nicht danach zu Mute ist, wiederholen „Ich bin stark“, werden Sie schon merken wer gemeint ist. Denn Sie sprechen ja auch „Ich bin ICH“.