Präventive Schmerz-Therapie
Auf anderen Wegen den Umgang mit Schmerzen lernen
Mit meiner Antwort auf die Frage des Herrn X, ob ich ihn von seinen Rheuma-Schmerzen befreien kann, muss ich sehr vorsichtig sein. Denn ich werde „Ja“ sagen, obwohl ich nicht die Schmerzen meine, nach deren Lösung er mich gefragt hat. Auch auf die nächste Frage, ob denn meine Antwort überhaupt Sinn macht, werde ich mit „Ja“ antworten.
Wir gehen im Yoga andere Wege, man mag sie sogar Umwege nennen. Aber wenn man sich an einen Yoga-Therapeuten wendet, muss man gewärtig sein, eine Antwort zu bekommen, die etwas Nachdenken erfordert. Unsere Lehre, vor allem dort, wo sie heilkundlichen Charakter hat, weicht deutlich von westlich etablierten Vorstellungen ab. Im Grunde wird das wohl auch nicht anders erwartet.
Anders als im üblichen, differenzierenden Verständnis von Wohl und Weh sagt der Yoga ganz generell „Was ist, ist gut“. Gut meint nicht angenehm oder – so lassen
wie es ist. Gemeint ist: gut, weil notwendig. Bezogen auf den Schmerz sagt die westliche Medizin natürlich auch – notwendig: Schmerz als Signal und als wichtiger diagnostischer Faktor.
Der Yoga geht tiefer: Die Welt in der wir leben, ist von vornherein kliṣṭa-akliṣṭa, leidvoll-leidlos. Schmerz und Leid sind unvermeidbare Elemente des Daseins. Diese Sicht erlaubt einen anderen Umgang mit dem Element Schmerz. Sie erlaubt, ja erfordert, zu lernen mit Schmerzpräventiv umzugehen. Sie erfordert, dass Schmerz gesetzt wird, sanft aber deutlich.
Yogaübende kennen das: Eine Übung erfüllt dann ihren Zweck, wenn – sanft aber deutlich – die Schmerzgrenze erreicht wird. Und wenn der so gesetzte Schmerz rasch wieder verschwindet.
Yogaübende gebrauchen das Wort „Ansteckung“ nicht nur bei einer Gefahr, sondern auch als Chance.
Yogaübende haben gehört, es gibt ein für alle Schmerzen gemeinsames Zentrum (ebenso wie für Freude).
Das Erlebnis „Schmerzlösung“ macht Schule, es pflanzt sich ohne Umwege ein und pflanzt sich fort. Das wache Gemüt ist sehr lernfähig.
Beginnen Sie – als Neuling – sofort mit einem Test: Pressen Sie mit der rechten Hand fest die linke, bis es weh tut. Dann lassen Sie los. Tun Sie das mit Yoga-Übungen in allen Bereichen des Körpers. Eines Tages werden Sie sagen: Ja, ich kann bei der Lösung von Schmerzen, auch Rheumaschmerzen, helfen.
Wichtig: Der hier beschriebene Vorgang darf niemals als Ersatz für den Arztbesuch verstanden werden. Aber der Arzt wird sich freuen, wenn wir geschickt mithelfen.