Haben Sie tatsächlich gesagt im Yoga gäbe es hausgemachte Probleme?

Frage: Haben Sie tatsächlich gesagt, im Yoga gäbe es hausgemachte Probleme? Oder sogar – es müsse welche geben? Ich habe doch so schon genug.
Antwort: Ich habe das gesagt. Und das sieht so aus: Wer zum Yoga kommt, hat ein Motiv. Sie/er übt vor dem ständig aktiven Hintergrund dieses mitgebrachten Motivs, monate-, jahre-, jahrzehntelang. Vielleicht erreicht sie/er auch etwas, vielleicht sogar etwas mehr, als bei früheren Versuchen erreicht wurde. Wer damit zufrieden ist, etwa weil das Problem nicht sehr groß ist, hört zwar im Unterricht immer wieder, dass die Reise weitergeht, sie/er aber nicht zum Umsteigen gedrängt wird. Anders ist es, wenn das Problem größer ist, wenn also wirklich etwas geschehen muss. Dann reicht das eigene Motiv nicht mehr aus, dann müssen stärkere Methoden angewandt werden, mit anderen Worten, dann beginnt der Umstieg in den eigentlichen Yoga. Nun beginnen wir zwischen „mitgebrachten“ und „auferlegten“ Problemen zu unterscheiden; nun setzt der Yoga tatsächlich neue, relativ kleine, gut überrschaubare, aber yogaeigene Probleme. Das kann zum Beispiel die Kontrolle des Studiums der Yogaschriften sein, in Verbindung mit dem dabei unumgänglich nötigen Stellen von Fragen. Oder – sehr wirksam – der Themenwechsel: Die Auflage der Rezitation eines Mantrams an Stelle der hartnäckigen Beschäftigung mit dem Problem selbst. Oder – hochwirksam – die Einleitung der Weitergabe von Yoga im Sinne von paraṃparā oder – eine Vielzahl anderer Auflagen.

F: Was ist eine „geführte Stunde“ im Yoga?
A: Der Asana-Unterricht nach Yesudian besteht aus geführten Stunden. Bei diesem Übungstil sagt der Lehrer die Übungen bis ins Detail hinein, – meist dreimal hintereienander -, genau an. Die Ansage gilt für alle Teilnehmer, also auch für diejenigen, die schon sehr lange üben. Bei dieser Übungsform wird das „selbstmotivierte Üben“ – siehe oben – wirksam außer Kraft gesetzt.

F: Ich habe in einer Zeitung gelesen, Yogaleute seien „Weltverbesserer“ und „Sektierer“. Ist da etwas dran?
A: Weltverbesserer ja, Sektierer nein. Der Yogaübende kümmert sich zuerst um seine eigene „Welt“: sein Gemüt, seine inneren Organe, alle Bereiche seines Wesens, und versucht natürlich deren Funktionen zu verbessern. Er tut das regelmäßig und vor allem immer, bevor er sich anschickt sich um andere zu kümmern. Das Wort „Sekte“ bezieht sich – laut Duden – auf von der christlichen Kirche abgespaltete Gruppierungen. Das trifft für Yoga nicht zu. Auch andere – mehr laienhaft gängige – Vorstellungen von Sektierern treffen für Yogis nicht zu. Nur ein Argument: Eine Lehre, die in vierzehn leicht verständlichen Worten ihren gesammten Inhalt offenlegt, kann nicht gut voller Geheimnisse stecken. Allerdings, und deshalb mögen solche Vermutungen entstehen, zugänglich ist der Inhalt der Yogalehre nur dem, der ihn als Übungsanweisung betrachtet.

F: Ist Yoga eine Wissenschaft? Wenn Ja, wie und wo wird sie gelehrt?
A: Ja, Yoga ist eine Wissenschaft. Zusammen mit Sanskrit die höchstentwickelte Wissenschaft überhaupt. Leider ist eine Yoga-Schule im Westen nicht unbedingt eine Studienstätte der Yogawissenschaft. Dennoch, nach yogischen Gesichtspunkten ist schon der Gebrauch des Namens Yoga in Bezug auf das „Yoga-Wissen“ nicht ohne Folgen. Wer im Dunkel der Nacht lange genug nach Licht ruft, wird die Morgenröte erleben. Später gehen dann Studium (svādhyāya) und Üben (abhyāsa) Hand in Hand. Prof. Dr. Sarvapalli Radhakrishnan (der frühere indische Saatspräsident und große Gelehrte) erwählt in seinen Schriften immer wieder Beispiele für die Bedeutung der Ausgewogenheit zwischen Glaube und Logik oder eben Übung und Studium.