Drei Bedingungen für die Entwicklung des Yoga Übenden

Frage: Sie sagen, das Stellen von Fragen sei eine von nur drei Bedingungen für die Entwicklung des Übenden im Yoga. Die anderen zwei Bedingungen leuchten mir ein: Üben in der YogaSchule und üben zu Hause, das ist klar. Wie passt zu diesem sehr hohen Anspruch ein so einfacher Vorgang, wie das Stellen einer Frage?
Antwort: Was wir im Yoga nicht erwarten können ist, dass wir uns nur mit Tagesfragen im Sinne der dabei üblichen Fragestellung beschäftigen. Das schließt nicht aus, diesen Stil zu kennen und mit ihm – auf seiner eigenen Ebene – umzugehen. Damit soll gesagt sein, dass der Yoga mehrere Ebenen der Fragen- und Problemlösung kennt und sehr sorgfältig mit ihrer Unterscheidung umgeht. Mehr noch: Unterscheidung (viveka) allein, auch diese Unterscheidung, bestimmt Sinn oder Unsinn, Erfolg oder Misserfolg im Yoga.

F: Yoga sei sofort erlebbare Praxis, hören wir immer wieder. Wie soll ich also die Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen Ebenen der Fragen angehen?
A: Das ist ganz einfach. Bei so genannten Tagesfragen und ihrer Beantwortung sind – unabhängig vom Inhalt – zwei oder mehrere Personen im Spiel, Fragen und Antworten kommen aus ihrem Kreis. Bei Fragen im Yogastil können auch mehrere Personen beteiligt sein und Fragen stellen, Antworten kommen jedoch nicht aus ihrem Bereich.

F: Darf ich unterbrechen? Woher kommen die Antworten genau?
A: Gut, dass Sie unterbrochen haben, denn hier steckt das Problem – und seine Lösung. An dieser Stelle lässt sich der Yoga besonders gut darstellen. Also: Die Antworten kommen vom Lehrer.

F: Einen Moment bitte. Gerade haben Sie gesagt, die Antwort kommt nicht aus dem Bereich der Personen und nun sagen Sie, die Antwort kommt vom Lehrer.
A: Weil Sie gut zugehört haben, brauchen Sie nun nur noch eine Probe aufs Exempel zu machen. Erinnern Sie sich aber vorher bitte daran, was Sie über „den Lehrer“ gehört haben. Eine kleine Wiederholung: Der Lehrer ist inwendig in uns, ist der „innere Meister“. Der äußere Lehrer ist überhaupt nur dann ein Yogalehrer, wenn er transparent und sich seiner stellvertretenden Funktion bewusst ist. Woran wir uns aber auch noch erinnern müssen, ist die Technik der Fragestellung. In unserem Yoga-Lehrbrief Nr.139 haben wir dieses Thema – mit dem wir uns seit Jahrzehnten beschäftigen – in der Darstellung von Prof. Dr. Sarvapalli Radhakrishnan, dem früheren Staatspräsidenten Indiens, wiedergegeben. In seinem Stil genügt es nicht eine Antwort, die vielleicht eine neue Frage auslöst, zu bekommen, sondern – als Ergebnis – „Die Schau der Wahrheit“ zu erleben. Die Technik, diese Schau zu erlangen, ist in Stufen gegliedert, sie heißen śravana oder Hören, manana oder Schlussfolgern, und nididhyāsana oder Betrachten (der inneren Wahrheit).