Ältere Menschen – Es ändert sich manches…

Im Leben eines älteren Menschen ändert sich so manches. Eigentlich hat sich in seinem Leben schon immer etwas geändert, aber nun merkt er es. Jetzt sieht der älter gewordene, es ist wie auf der Drehbühne im Theater: Alle Szenarien sind schon von Anfang an fertig aufgebaut, aber nun rückt der aktuelle Schauplatz deutlicher als früher ein Stück weiter. Das Spiel von gestern ist zu Ende, ein neues nimmt seinen Lauf. Der Versuch, die Szenen von gestern oder vorgestern zu wiederholen, schlägt fehl und kostet Kraft. Der Vorteil des älteren Menschen besteht darin, dass er das weiß, und auch, dass Grübeleien und Analysen nicht weiter helfen.

Das Glück vom vorigen Jahr ist nicht zu wiederholen, die Fehler oder Versager der vorigen Woche sind heute nicht zu reparieren.

So ist es im Leben. Und im Yoga? Yoga macht es anders.

  1. Yoga versucht nicht zu reparieren, sondern beginnt von vorn.
  2. Der Yoga lässt junge Menschen alt und alte Menschen jung sein – zur Übung. „Früh übt sich, wer ein Meister werden will.“

Die Begriffe alt und jung sind sowieso relativ: Vierzehnjährige nennen Achtzehnjährige alt. Alte Leute, Männer und Frauen, sind oft frischer und mutiger als Mittelalterliche, als solche, die – aus verständlichen Gründen – sehr konservativ und zurückhaltend ihren Tag, vor allem den Arbeitstag, bestreiten. Yoga wartet nicht, bis uns ein – vermeintliches – Elend überrollt, Yoga provoziert es – zur Übung.

Wozu sind Kinderkrankheiten da?
Wozu haben wir gelegentlich Husten, Schnupfen, Heiserkeit? Ist der Schöpfer ein Bösewicht, der uns unnötige Plagen auf den Hals schickt? Aber vielleicht ist „unnötig“ ja auch nur eine Vorgabe im eingeschliffenen naturwissenschaftlichen Weltbild. An diesem Weltbild nimmt Yoga nicht teil. Im Yoga und seiner ganz anderen Weltschau ist Not nötig. „Kein Wesen macht je eine Erfahrung, derer es nicht dringend bedarf“, sagen die Meister.

Yoga lehrt: Wenn Ereignisse unvermeidlich sind, sollte man ihren Ablauf schon im Voraus und im überschaubaren Format (en miniature) üben. Im Yoga erleben wir im Verlauf einer einzigen Übung die Zustände „jung“ und „alt“ gleichermaßen. Es ist eine Frage des Umgangs mit unserem Gedächtnis: Eine Yogaübung ist jedesmal neu und frisch, wenn sie begonnen wird, und uralt, wenn sie beendet ist. Der Yogalehrer gibt uns die Übung jedesmal ganz von vorn, „als wäre es das allererste Mal“. Er verzichtet nicht auf die Chance, dem Sinn der Übung immer wieder in einer neuen Situation zu begegnen.

Wer im Yoga alt geworden ist, ist auch bei einer alt bekannten Übung wieder frisch und neu dabei. Und wer noch neu ist im Yoga, erlebt mit Bewusstsein, dass das was fertig ist, alt ist, aus und vorbei.

Beide – Alte und Neue – erleben das Leben in seiner wahren, Anfang und Ende umfassenden Weise. Die Lebenskraft erneuert und reinigt sich auf der Bahn zwischen Alt und Neu, so wie der Kreislauf des Wassers – alt und verbraucht auf der Erde und neu und frisch vom Himmel.