„Ich bin schon da“

So wie sich Meister Lampe in Wilhelm Schröders (geb. 1808) Märchen ziemlich ratlos vorkommt, so geht es heute oft Wissenschaftlern. Aber sofern sie die Augen für die Erkenntnisse anderer Kulturen offen halten, tönt ihnen oft das Wort aus dem Märchen freundlich und deutlich entgegen.

Beispiel: „Woher kommt das Bewusstsein?“. Selbst hochrangige Hirnforscher bekennen, auf die uralte Frage habe man nicht „den Schimmer einer Antwort“. Wolf Singer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung in Frankfurt am Main, antwortet in diesem Sinn auf die Fragen seiner Interviewer in dem suhrkamp taschenbuch wissenschaft „Ein neues Menschenbild?“ auf recht anschauliche Weise.

Noch ein Beispiel: Bei dem so genannten Poincaré-Problem geht es darum, das Phänomen „Raum“ zu verstehen. Wer es mit Mathematik versteht, bekommt die für die Antwort ausgesetze Summe von einer Million Dollar. Was aber, wenn es gar kein mathematisches Problem ist?

Wären Panditas (vedische Gelehrte) und Yogis Igel, würden sie rufen „Ich bin schon da“.

Da, nicht mit Tricks und doppeltem Boden, aber mit anderen Mitteln. Nicht auf der Basis der westlichen-kartesianischen Prämisse Cogito, ergo sum, sondern anders – östlich. An der Stelle der Erkenntnisformel des französischen Philosophen stünde vielleicht die Bekenntnisformel der indischen Rishis. Das erste Mantram der Ishavasya Upanishad lautet ma grdha kasya svid dhanam (weißt du nicht, wem er gehört). Wobei mit „er“ Besitz gemeint ist, Besitz schlechthin, auch der des Wissens. Und womit der entscheidende Unterschied zum westlichen Ansatz deutlich wird: Wem gehört – schon immer – das Wissen und an wen wird es verliehen. Wer ist schon da, und wer möchte es erlangen.

Die Frage nach dem Bewusstsein reduziert sich für den Yogi auf die nach der Identität des Wissenden, und auf die damit einhergehende, nach der Mehrdimensionalität seines Gemütes. Was für westliche Forschung paradox klingt: „Indem ich nicht weiß, weiß ich“, ist für den Yogi die Schlüsseltechnik. Weil der Yogi zwischen aham (dem Ich, persönlich und vergänglich) und atman (dem Selbst, innewohnend und ewig) unterscheidet, ist er in beiden Dimensionen – derjenigen, in der er „nicht weiß“, und in der anderen, in der er „weiß“ – zu Hause.

Die Lösung liegt im Wechsel vom „habenden“ Wissen, mit der Aussage „ich weiß das/weiß das nicht“, zum so „seienden“ Zustand, „ich bin das“. (Balthasar Staehelin).

Mit dieser Betrachtung rücken wir die Technik des Ebenenwechsels zwischen den Dimensionen des Gemüts mit Hilfe der Fragenstellung/Fragenbeantwortung in den Vordergrund.

Ebenenwechsel geschieht auch spontan, im Yoga-System ist es Methode. Antworten kommen oft im Traum oder aus einer unvermutet auftauchenden Parallele. Wer eine Antwort sucht, muss Fragen stellen, pointiert Fragen stellen. Wissenschaftler zu sein heißt, zu wissen, wie man Fragen stellt. Die Antwort kommt von selbst.

Panditas und Yogis sagen: Sie ist schon da.