Nāda-Yoga Seite 4 – Viveka im Voraus

Klang heißt im Sanskrit nāda und wird mit einem Dehnungsstrich über dem ersten a geschrieben, was sehr wichtig ist. Aber wir sprechen jetzt vom Klang, nicht von der Rechtschreibung: Wenn ein Wort nicht richtig klingt, also umgebungsbezogen nicht „passend“ klingt, gehört es – als das gleiche Wort – in einen anderen Klang- und Bedeutungsbereich.

Es gibt im Sanskrit viele Wörter, die gleich geschrieben werden, aber je nach dem Kontext, in dem sie stehen und wie sie klingen, unterschiedliche Bedeutungen haben. Beachten wir diese einfache Grundregel, werden uns auch andere Zusammenhänge klar. Ein Priester spricht – nicht nur vom Inhalt, sondern auch vom Tonfall her – anders als ein Soldat oder ein Händler.

Wir müssen uns immer wieder erinnern, dass wir zwar im Westen leben, dass aber die Disziplin, der wir im Yoga begegnen, ihren Sitz im Osten hat und behält. Der Schritt zu den östlichen Lehren gelingt nur, wenn der startende Fuß mit seiner ganzen Kraft wirklich am – zwangsläufig westlichen – Startplatz steht.

Der Lehrer / die Lehrerin

So wie es uns, als wir noch Kinder waren und die Oma bei uns war, leicht fiel, in einem finsteren Märchenwald zu weilen, so fällt es uns in der Yoga-Umgebung leicht, in einem anderen Land bei zunächst fremden Bräuchen zu sein. Dass das eine am besten mit der Großmutter und das andere ohne einen erfahrenen Lehrer – im Nāda-Yoga vielleicht besser eine Lehrerin – gar nicht geht, sind einfache Lebenserfahrungen.

Der Lehrer-Aspekt hat Gewicht im gesamten Yogabereich, wiegt aber schwer bei so sensiblen Übungsformen wie dem Umgang mit der Sprache, und am schwersten bei dem die Sprache hervorbringenden inneren Klang.

Die Übung

Nāda-Yoga beginnen wir am besten mit mauna, mit Schweigen. Die Tiefe des Schweigens, das eigentliche mauna, beginnt von selbst, wenn wir – Verzeihung -, einfach den Mund halten. Wie bei jeder Übung: So gut es geht. Und ein Stück weit geht das immer, auch innerlich. Damit wäre ein guter Anfang gemacht. Es wird nicht lange dauern, bis wir in dieser relativen Stille etwas „hören“, etwas klingen hören. Wenn nicht, wird uns der Lehrer eine Hilfe geben, sozusagen unser „inneres Ohr“ öffnen.

Was hier, beim Lesen des Textes, seltsam zu sein scheint, ist in der Übungssituation ganz einfach. Die Astronomen sprechen – nach außen gewandt – vom Weltraumrauschen, wir reden – nach innen gerichtet – vom inneren Klang. Das Rauschen draußen und das Klingen innen können wir weder abstellen noch deren Ursprung ergründen, aber wir können uns auf beides einlassen, vielleicht haben beide den gleichen Ausgangspunkt. Stille als Übung ist die Voraussetzung für Yoga, für Nāda-Yoga.

Ohne mauna kein nāda

Das Sprichwort „Reden-Silber / Schweigen-Gold“ gilt auch im Yoga, es gilt in der Praxis der Redner-Schulung und ganz sicher bei den Nāda-Yoga-Übungen. Nur der Yogi beansprucht beides, das Silber und das Gold. Alle Yoga-Lehren zielen auf das Gleichgewicht der polaren Gegensätze, so auch diese. Wir beginnen also mit der Stille. Die Zeitspanne in der Stille zu verweilen, kann sehr unterschiedlich sein, einige Sekunden, Minuten und ganze Tage sind praktikable Größen.

Der Stille folgt die spontane Rede: Wir merken, dass wir jeder Rede durch Pausen Sinn und Gewicht geben können.

Und wir merken, dass uns der Urlaut, das OM, am Kommen und am Gehen der Schöpfung von Moment zu Moment neu teilnehmen lässt.