matsyendrāsana – Die Haltung des Königs der Fische

Die Lehrer unserer Tradition haben herausgefunden, dass kürzere Pausen besser sind als lang anhaltende. Das gilt allgemein, besonders aber bei der Ansage der āsanas. Jede angesagte Bewegung, zum Beispiel „Arme heben“, muss in sich selbst ausklingen – Halt –, erst dann kommt die nächste Ansage „Arme senken“.

Begriffe wie Rhythmus, Gleichgewicht halten (Friedl Beutelrock) oder gar ṛtaṃbharā (Yoga-Sūtra I/48) liefern dem Skeptiker die dafür eigentlich unnötige Erklärung. Der Übende erfährt lieber an und bei sich selbst, wie heilsam sich die zunächst vom Lehrer gegebene, dann aber eigene Ansage der Übung für seine Stabilität auswirkt. Er erlebt, dass das Prinzip „Halt“ oder „Pause“, kumbhaka, Öffnung verschafft. Jene wirksame Kraft, die nicht in seiner oder der Macht von seinesgleichen liegt, kann fließen. Die häufige kurze Pause erweist sich als weit wirksamer als die seltenere längere Pause.

Es scheint ein Widerspruch zu sein, wenn der Lehrer bei einigen Übungen längere Abstände in seine Übungsansage legt. Bei dem sogenannten Drehsitz, matsyendrāsana, wird eine solche Variante besonders deutlich. Es handelt sich dabei nicht eigentlich um eine Ausnahme, es geht um etwas ganz anderes: ein Ebenenwechsel findet statt. Nimmt man die Haltung ein, vielleicht ein wenig verstärkt – wir sagen, einen Millimeter über die Schmerzgrenze hinaus – ändert sich die Regie. Der Lehrer mag noch andeuten: „Die Achtsamkeit wandert mit dem Atem die Wirbelsäule hinauf und hinab“, lenken wird er den Vorgang von diesem Moment an nicht mehr. Auch der Übende wird nicht mehr nachbessern, selbst wenn er sich noch weiter drehen könnte. Die Pause hat ihr eigenes Recht.

Die vom autonomen Atemrhythmus berührten Nervengeflechte, besser cakras, geben – ebenfalls autonom – ihre im Laufe der Evolution gesammelten Heil- und Stabilitätsinformationen dorthin weiter, wo sie gebraucht werden. Das ist ein Vorgang, der sich dem logisch organisierten Wissen entzieht und deshalb von dort her weder gefördert noch gestört werden kann. Wann dieser samādhi ähnliche Zustand beendet ist, ergibt sich spontan und ist mental nicht steuerbar. Im Grunde findet ein solcher Regiewechsel bei jeder Übung statt. Es mag aber längere Zeit des regelmäßigen Übens bedürfen, vielleicht auch einen besonderen Anlass erfordern, bis die verfeinerte Aufmerksamkeit den Wechsel als schon bestehend erkennt und entsprechend inneren Raum gibt. Damit dieses Erkennen unterstützt wird, sollte, nach den Anweisungen der Lehrer unseres Weges, zunächst eine bestimmte Übung täglich und außerhalb des Übungsblattes geübt werden. Die Übung matsyendrāsana ist besonders gut für das Erleben der schöpferisch-heilsamen Pause geeignet.